ein Maikäfer - pünktlich zum ersten Mai

Am Vorabend zum ersten Tag des Wonnemonats Mai entdeckt meine Nachbarin unter all den hunderten von Hornveilchen in allen Variationen, die unser Haus verschönern, einen Maikäfer, der es sich kopfüber unter einer gelben Blüte bequem gemacht hat. Donnerwetter! 

Besonders fotogen ist die Pose ja nicht, die er sich gewählt hat, aber: das farbige Ambiente stimmt! Ach, da kommen in uns Erinnerungen hoch, früher gab es ja sooo viiieeele Maikäfer, dass die Kinder sie in großen Einmachgläsern gesammelt haben um sie zu beobachten. Oder um sich ein paar Pfennige vom Bauern dazuzuverdienen, weil der sich um seine Kartoffelernte sorgte. "Es gab", so kommentiert Nachbar Herbert, als wir gemeinsam auf den seltenen Gast schauen, " es gab damals Schornsteinfeger, Bäcker und Könige." Die Maikäfer ließen sich nämlich anhand der Farbe ihrer feinen Kopfbehaarung unterscheiden. Je nachdem, ob sie weiß (Bäcker), schwarz (Schornsteinfeger) oder golden waren (König).


Demnach handelt es sich wohl hier um einen Schornsteinfeger. Heute kennen viele Menschen Maikäfer nur noch in Übergröße und aus Schokolade. Maikäfer versetzen uns zurück in die eigene Kindheit. Was liegt da näher, als sich eine kleine Geschichte über Sinstorf aus den 1930er Jahren anzuhören?

Die 1925 geborene Margarethe Anna Maria schreibt in ihren Erinnerungen:
"Sinstorf war ein friedliches und trotz der dort emsig betriebenen Landwirtschaft ein sauberes Dorf. Die kopfsteinbepflasterte Straße war holperig und führte über eine Brücke des Engelbeks zum eigentlichen Kern des Dorfes, der Tausenjährigen Kirche. Das Dorf war von fruchtbaren Äckern, Weiden und Wiesen umgeben, durch die sich der Engelbek schlängelte. Dieser kleine Bach entsprang in den Ellern des Weidehofes, nahm das überschüssige Wasser der Weiher auf, und nachdem er die saftigen Wiesen des Dorfes hinter sich gelassen hatte, floß er, sich verbreiternd, durch die Moorlage, um sich später in die Außenmühlenteiche in Wilstorf zu ergießen. Die Wiesen, durch die er seinen Lauf nahm, waren übersät mit Gräsern und Blumen vielerlei Arten. Kuckucksblumen, Lichtnelken, gelbe Lilien, gepflecktes Knabenkraut [Orchideenart], Sumpfdotterblumen und andere Pflanzen gaben den Wiesen Fülle und Farbenpracht. Wo der Boden nicht ganz so feucht war, breiteten sich, insbesondere hinter dem Garten des Pastorates, Teppiche von Buschwindröschen aus, nicht zu vergessen die gelben Sternblumen und ihre weißen Schwestern, die wir als Kinder Gewitterblumen nannten. Gewitter gab es stets, wenn sich unzählige kleine schwarze Käfer auf ihren Blüten versammelten.

Der Feldweg, der sich an der Rückseite des Pastorates durch Ackerland, Wiesen und Weiden bis hin nach Beckedorf zog, wurde von farbenprächtigen Feldblumen gesäumt. Der Boden der Äcker war fruchtbar und trug gute Ernten. Auf den saftigen Weiden, die sich rund um das Dorf erstreckten, weideten die Kühe, die zum Melken durch das Dorf in die Ställe getrieben wurden. Gänse, Enten, Huhn und Hahn liefen frei herum und scharrten nach Futter.

Jeden Sonnabend wurden die Höfe und die Straßen vor den Häusern gefegt. Die Frauen im Dorfe brachten an bestimmten Wochenenden den zu Broten geformten Teig in das alte Backhaus, das unmittelbar hinter Jochens Gemüsegarten in einem Erdhügel lag. Große Bleche mit Butterkuchen wurden eingeschoben, wenn das Brot fertig gebacken und die Hitze nicht mehr so stark war. Das ganze Dorf Sinstorf duftete dann nach frischem Brot und Kuchen. Abends läuteten die Glocken im Turm den Sonntag ein."

Text mit freundlicher Genehmigung von der Tochter Barbara D.

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