Bleistiftzeichnungen um 1930 aus Sinstorf

Mit Bleistift und Papier wird er viele Stunden im Freien vor der Kirche verbracht haben. Seine Motive: Die alten Grabsteine. Morbide, verwittert, schief und geheimnisvoll verweilten schon damals die alten Steine, welche von den einst Lebenden zeugen, die einst in Sinstorf und darum herum gelebt haben und ihrem Tagewerk nachgingen.

Altes Gatter, Lerchenheide 1932

Große, in Passepartout gerahmte Bleistiftzeichnungen zeugen von der Leidenschaft des Gastwirtes und Bauern zu Sinstorf, dem Herrn Wendt.


In den 30er Jahren des voherigen Jahrhunderts entstanden durch ihn wundervolle Werke, die von gelebter Heimatverbundenheit und Liebe zur Malerei sprechen.

Wendt malte die Sinstorf umgebenden Landschaften, studierte Pflanzen und Blumen und sein Blick blieb dabei an interessanten Details hängen, wie zum Beispiel an der Aufhängung eines Gatter zu einer Koppel. Heute können wir anhand dieser lokalen Kunstwerke einer kleinen Perspektive aus der damaligen, sinstorfschen Zeit nachspüren.

Neben den eben genannten Genres porträtierte Gustav Wendt wohl seine ganze Familie. Hiervon blieben uns leider nur einige Skizzen erhalten da zu vermuten ist, dass der Großteil dieser Arbeiten von denjenigen übernommen wurden, die darauf abgebildet waren.

Großen Raum nehmen seine Zeichnungen von Grbmalen ein. Wendt fühlte sich von den Spuren der Zeit auf den aus dem Lot entrückten Steinen angezogen. Mit den Jahren wurden diese Zeichnungen immer dunkler, als ahnte der Zeichner die kommenden Zeichen von Krieg und Unheil auf sich zu kommen.

Alter Weidezaun, Lerchenheide 1930

Vermutlich handelt es sich bei der Lerchenheide um eine Ortsbeschreibung im Sinne einer Koppel oder eines Hügels. Wer mehr zur Lage der Lerchenheide weiß, schreibt das bitte unten in den Kommentar - dann haben wir alle etwas davon und können uns freuen. Danke dafür!

links: Hertha Wendt, 33 Jahre, Studie/1932. - rechts: im Winter 1937

Die Enkelin des alten Wendt Frau L. hat jedoch bis heute im Jahre 2017 einen beachtlichen Teil des Schatzes bei sich im Keller aufbewahrt. Die schwere Mappe trug sie durch ihr ganzes Leben, da diese ein lebendiges Werk und einmalige Erinnerungen an ihren Großvater in sich barg. Und trotz vieler Umzüge und Wechsel von Lebensumständen begleitete diese  Bildermappe das Leben der Enkelin, und die in der Mappe geschützen Bleistiftzeichnungen wanderten von Keller zu Keller. Gemeinsam haben wir nun beschlossen, diese Zeichnungen hervorzuholen, um sie einmal der Öffentlichkeit zu zeigen.

links: Studie 1933
Es handelt sich hierbei also um lange nicht geschaute Werke aus Sinstorf. Ich freue mich, Ihnen und Euch diese Arbeiten hier präsentieren zu dürfen. Mit diesem Ausschnitt aus dem Lebenswerk eines Menschen aus Sinstorf, dem Herrn Wendt, dessen Grab und das seiner Nachfahren auch auf dem Sinstorfer Friedhof zu finden ist, wird auf diese Weise nun ein weiteres Mosaiksteinchen seines Lebens hinzugefügt.

rechts: kleine Studie, Winter 1935

Beim Ablichten der Bögen und anschließender Nachbearbeitung am Computer entstanden zusätzliche Farbeindrücke, so als wenn man hier und da etwas Aquarell auf die ansonsten in Graphitgrau/Weiß gehaltenen Zeichnungen getupft hätte oder als wenn das Blatt an einigen Stellen besonders vergilbt wäre. Da es mir gut gefiel und der Vergangenheit auf diese unerwartete Art und Weise etwas Patina hinzufügte, habe ich es in der hier vorliegenden Präsentation so belassen.

 

links:
kleiner, von Blumen umwachsener "Grabstein 1813", Bleistift, 1930


 

 

 

rechts: April, 1930

 

 


Ein großes Thema von Gustav Wendt - hier links ein Selbstbildnis, 1931 - waren jedoch die alten Grabsteine, die um die Tausendjährige Kirche herum standen. Viele davon stehen noch heute. Einige Grabmäler mußten jedoch bei der Verlegung des Haupteinganges von der Straßenseite der Kirche zur Giebelseite für die neue Zufahrt weichen. Dem heutigen, gepflasterten Fußweg sind daher ein oder zwei Gräberreihen zum Opfer gefallen. Und diese waren mitnichten die ersten, schon zuvor hatte man aus Platzmangel oder anderen Beweggründen einen größeren Teil der Grabstätten entbettet und für Wohnbebauung genutzt. An dieser Stelle befand sich einst auch das Gasthaus Wendt, welches durch Bombeneinschlag mehrmals stark beschädigt, aber doch immer wieder aufgebaut wurde, bevor es schließlich doch, endgültig im zweiten Weltkrieg zerstört und durch Eigentümerwechsel einem Neubau weichen mußte.

Vielleicht erkennen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ja den einen oder anderen Stein auch heute noch. Der nächste Kirchenbesuch zur könnte auf diese Weise schon vor der Sonntagspredigt zu einer spannenden Entdeckungsreise werden.


 

 

 

 

links: 1930

rechts: 1932


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

links: März 1930                    rechts: 1936

 

unten links: 1933                    rechts: 1930

Kirchhof Sinstorf, 1930

 

 

 

 

 

 

 

links, rechts, auch beide unterhalb: 1930      

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

links: 1932

 

 

rechts: 1933

 

Kommentare

1. Am Freitag, 27 Oktober, 2017, 16:49 von Liegandt Ulrike

Ich freue mich sehr darüber, dass auf dieser Web-site die Bilder meines Großvaters zu sehen sind.
Die Beschreibungen zu den Bildern und der Bericht über Gustav Wendt sind richtig gut .
Vielen Dank

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